„Das Malen nimmt in meinem Leben sehr viel Raum ein“, sagt Mundmalerin Selma Aman: „Ich bin dauernd am Identifizieren von Motiven und betrachte die Dinge immer schon in Gedanken an Technik und Pinselstrich. Anfangs war das sehr anstrengend – ich konnte gar nicht mehr normal gucken.“ Inzwischen genießt die Künstlerin diesen Zustand, denn der Weg dahin, sich als Mundmalerin ihren Lebensunterhalt erarbeiten zu können, war lang und steinig.
Selma Aman kam als zweite Tochter eines aus der Türkei stammenden Paares in Berlin zur Welt. Die angeborene Spastik spielte nicht zuletzt dank ihres Vaters, der sie in allen Lebenslagen unterstützte, keine große Rolle. Bereits mit sechs Jahren begann Selma mit dem Malen. Damals noch mit den Füßen. Dann kam der Zeitpunkt, als Pinsel und Stifte in den Mund wanderten, denn „irgendwann wurde es mir zu mühselig, immer die Schuhe ausziehen zu müssen“. Heute malt Selma Aman nur noch mit dem Mund, sortiert aber – wenn sie zu Hause ist – Fotos und Vorlagen mit den Füßen.
Die ersten sieben Schuljahre besuchte das Mädchen eine Sonderschule für körperbehinderte Kinder. Dank einer engagierten Lehrerin absolvierte Selma Aman die siebte Klasse parallel in einer Regel-Realschule – zu einer Zeit, als Inklusion überhaupt kein Thema war. Die 14-Jährige fand das „normale“ Lernen toll, doch sie musste auch erfahren, dass man „mit einer Körperbehinderung ein Leben lang ein Außenseiter ist“. Lange arrangierte sie sich erfolgreich damit, bis ihr Vater plötzlich verstarb. Ein einschneidendes Ereignis, „danach ging’s mit mir ein wenig bergab“, meint die Künstlerin rückblickend. Schule hatte keine Bedeutung mehr, sodass die inzwischen 18-Jährige nach der zehnten Klasse mit einem Hauptschulabschluss abging.
Was Selma Aman auszeichnet, ist ihr unbändiger Wille in schwierigen Situationen. Nach einer Ausbildung zur Bürokauffrau arbeitete sie vier Jahre lang in einer Werkstatt für behinderte Menschen. Sie holte an der Abendschule ihren mittleren Bildungsabschluss nach und legte danach mit über 30 Jahren ihr Fachabitur in Wirtschaft ab. „Ich muss mir immer was beweisen“, meint sie. Schließlich begann sie mit einem Studium der Rechtswissenschaften. Doch noch im ersten Semester holte sie der nächste Schicksalsschlag ein: Ihre Mutter war an Krebs erkrankt.
„Damals begann ich wieder mit der Malerei – als eine Art Eigentherapie“, blickt Selma Aman zurück. Und dann konnte sie nicht mehr damit aufhören: „Es war wie eine Sucht!“ Ihr wurde klar, dass sie in ihrem Leben etwas ändern musste. Sie machte sich auf die Suche nach einer Möglichkeit, wie sie von und für ihre Kunst leben konnte, und stieß dabei auf den MFK-Verlag. „Ich habe mich sofort beworben und sehr schnell Antwort bekommen“, freut sie sich noch heute. Denn seitdem steht ihr Leben ganz im Zeichen von Motivsuche, Farbwahl und Maltechniken.