Renate Schaible-Kaufmann †
Mundmalerin
Mundmalerin
Renate Schaible-Kaufmann kam spastisch gelähmt zur Welt, konnte ihre Hände nicht gebrauchen und war auch in ihrer Motorik eingeschränkt. Als schwerbehindertes Kind konnte sie in der Kriegs- und Nachkriegszeit nicht zur Schule gehen. Sie wurde deshalb zu Hause von ihrer Mutter, einer selbstständigen Schneiderin, unterrichtet. Und irgendwann begann Renate Schaible-Kaufmann auch zu zeichnen und zu malen.
Renate Schaible-Kaufmann war wissbegierig, lernte schnell, las gerne und entwickelte viele Interessen – und wäre am liebsten Archäologin geworden. Dieser Berufswunsch musste angesichts ihrer Behinderung allerdings ein Traum bleiben. Sie war erst zwölf Jahre alt, als sich ihr körperlicher Zustand gravierend verschlechterte. Hüftgelenkprobleme, die medizinisch nicht richtig erkannt und behandelt wurden, schränkten ihre Bewegungsfähigkeit unter anhaltenden und teilweise unerträglichen Schmerzen zunehmend ein.
Beim Versuch, ihre Spastik durch einen operativen Eingriff im Gehirn bereits in jungen Jahren zu mildern, erlitt sie Verletzungen des Sprachzentrums. „Dadurch wurde meine Aussprache so undeutlich, dass eine normale Unterhaltung für mich nicht mehr möglich war.“ Dennoch blickte sie nach vorne. Dank des technischen Fortschritts konnte sie mittels ihres Computers gut schriftlich kommunizieren. „Man muss immer an der Hoffnung festhalten“, schrieb sie mit einem Mundstab auf der Computertastatur, „denn irgendwann kommt das Licht wieder, wenn es auch im Augenblick noch so hoffnungslos und dunkel ist.“
Diese Erkenntnis und ihr Lebensgefühl versuchte Renate Schaible-Kaufmann in ihren Bildern auszudrücken und weiterzugeben. Und so malte sie am liebsten Bilder mit viel Licht und gelben Farbtönen – sei es eine kahle Birke im Winter, eine farbintensive Herbstlandschaft oder ein sommerliches Mohnblumenfeld. Um ihre stimmungsvollen Motive einzufangen, fuhr sie gerne mit ihrem mundgesteuerten Rollstuhl in die Natur hinaus, beobachtete genau und malte dann zu Hause aus der Erinnerung.
Seit 1964 gehörte Renate Schaible-Kaufmann der Vereinigung der Mund- und Fussmalenden Künstler in aller Welt e. V. (VDMFK) an. Gerne nahm sie die Möglichkeit wahr, mit ihrem langjährigen Betreuer zum alljährlichen Malworkshop nach Potsdam zu fahren, bei dem sie neue Anregungen bekam und die Gemeinschaft mit den anderen deutschen Mund- und Fußmalerinnen und -malern genoss. „Ich finde es sehr gut, dass es so eine Vereinigung gibt“, war die Künstlerin überzeugt: „Denn sie ermöglicht vielen behinderten Menschen, für sich selbst zu sorgen. Das ist eine wunderbare Sache.“
Am Samstag, 24. September 2022, ist die Mundmalerin im Alter von 84 Jahren verstorben.